Seltene Erden: Das Preistief könnte erreicht sein
Juni 2023 | Marktkommentar
Quelle: iStock/Denis Shevchuk
Der mehrmonatige Preisverfall bei Seltenen Erden scheint ein Ende zu finden. Mit steigender Nachfrage nach Technologien der Energiewende wie Windrädern und Elektroautos deuten die aktuellen Signale darauf hin, dass sich der Markt stabilisiert und eine mögliche Preiserholung bevorsteht.
Die Rohstoffgruppe der Seltenen Erden stellt eine der wichtigsten Bausteine für die Energiewende dar. Diese Strategischen Metalle stecken unter anderem in Permanentmagneten, die wiederum in Windrädern und E-Autos verbaut sind – Anwendungsbereiche, die sich einer stetig zunehmenden Nachfrage erfreuen. Vor diesem Hintergrund erscheint es zunächst einmal überraschend, dass die Preise in den vergangenen Monaten spürbar zurückgegangen sind. So war zum Beispiel Neodym, als Magnetwerkstoff von zentraler Bedeutung für die Energie- und Verkehrswende, laut monatlichem DERA Preismonitor im Mai knapp 11 % günstiger als noch im April. Andere Vertreter dieser Elementgruppe wie Dysprosium fielen ebenfalls im Preis.
Seit Anfang Juni mehren sich nun aber die Zeichen, dass der Sinkflug, der im Januar 2023 begann, wie berichtet, beendet ist und die Preise eine Stabilisierung erfahren. Der Markt scheint seine Schmerzgrenze ausgelotet zu haben und dabei zu sein, einen Boden zu bilden.
Was steckt hinter dem überraschenden Preissturz?
Der historische Preissturz bei den Seltenen Erden seit Anfang 2023 kam auch für viele Marktbeobachter überraschend. Normalerweise wäre zu erwarten, dass die hohe Nachfrage die Preise oben hält. Dafür würde auch sprechen, dass China seine Exporte in den vergangenen Monaten sogar verringert hatte und damit das Angebot insgesamt. Allerdings spielen bei der Preisbildung neben dem industriellen Bedarf und den Exportquoten weitere Faktoren eine Rolle. Einige davon sind in China selbst zu suchen: So ist das erste Quartal traditionell relativ schwach, denn in diese Zeit fällt das chinesische Neujahrsfest, Bergwerke und Aufbereitungsanlagen, aber auch andere Teile der Industrie stellen ihren Betrieb dann ein. Hier geht naturgemäß die Binnennachfrage nach Rohstoffen wie Seltenen Erden zurück.
Sonderfaktoren wie die vielen Monate einer konsequenten Null-Covid-Strategie und strikter Lockdowns von Millionenstädten haben in der heimischen Wirtschaft zusätzlich Spuren hinterlassen und lasten auf der Industrie. Dies gilt auch für den Konsum der chinesischen Bevölkerung, etwa den Absatz von E-Autos, neben Windkraftanlagen einer der Treiber des Bedarfs an Seltenen Erden. Auch außerhalb Chinas, so zum Beispiel in Deutschland, kommt es seit Anfang des Jahres zu einer Reduzierung von E-Auto-Zulassungen. Die Verbraucher halten sich angesichts von unklaren Strompreisentwicklungen, auslaufender staatlicher Förderungen in vielen Staaten sowie des schleppenden Ausbaus der Ladeinfrastruktur beim Kauf zurück. Dennoch bleibt China der weltweit größte Absatzmarkt im Bereich der E-Mobilität, und der Anteil der Elektroautos an der Flotte wächst schneller als in Europa oder den USA. Wenig überraschend erwartet man daher in der Volksrepublik mittelfristig einen steigenden Eigenbedarf an diesen Rohstoffen, was auch die kürzliche Erhöhung der staatlichen Förderquote für Seltene Erden erklärt.
Konsolidierung im Markt zeichnet sich ab
Dass China mit seinem Quasi-Monopol auf Seltene Erden maßgeblichen Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen kann, ist unbestritten. Mit jedem weiteren Akteur in dem Rohstoffmarkt könnten sich die Spielregeln jedoch ändern. Länder wie die USA und Australien, die reich an Bodenschätzen sind, wollen die Rohstoffgewinnung ausbauen. Auch in Vietnam gibt es starke Bestrebungen, den Abbau von Seltenen Erden und ihre Verarbeitung im eigenen Land voranzutreiben. Die sehr hohen Rohstoffpreise der vergangenen Jahre haben außerdem Investitionen in (nationale) Recyclingverfahren interessant gemacht. Darüber hinaus könnten die Kostensteigerungen noch eine weitere Auswirkung gehabt haben: Angesichts der Preisspitzen für Neodym und andere Seltenerdelemente in den vergangenen Monaten wird sich manche Einkaufsabteilung in Zurückhaltung geübt haben, so die eigene Bevorratung dies erlaubte. Sinken die Rohstoffpreise, so zeigt es die Erfahrung, sind die Einkäufer meist schnell wieder bemüht, die eigenen Lager aufzufüllen, was wiederum die Kurse nach oben korrigiert.
Zudem machte es der vorausgegangene Kursverfall in Kombination mit steigenden Energiepreisen für viele Bergbauunternehmen außerhalb Chinas kaum noch möglich, die Rohstoffe kostendeckend zu fördern. Die ebenfalls energieintensive weitere Aufbereitung der Seltenen Erden durch die nachgelagerten Refiner dürfte in den vergangenen Monaten ebenfalls unrentabel gewesen sein. Man kann davon ausgehen, dass außer für den Cashflow die Rohstoffverkäufe auf ein Minimum zurückgefahren worden sind, also Material mit Verlust verkauft wurde, um die laufenden Kosten zu decken. Das könnte Impulse für eine Preiskorrektur nach oben gegeben haben.
Die Voraussetzungen sind also gut, dass der Markt und die Preisbildung mittelfristig Impulse von vielen verschiedenen Playern erhalten werden.
Über den Autor
Jan Giese ist seit 2022 im Industrievertrieb für Technologiemetalle und Seltene Erden bei TRADIUM in Frankfurt am Main tätig. Zuvor leitete der Diplom-Kaufmann 2,5 Jahre lang den weltweiten Einkauf der Heraeus Quarzglas GmbH, einer Geschäftseinheit des weltweit tätigen Familienunternehmens Heraeus. Während seiner Zeit bei Heraeus war Jan Giese für den Einkauf von Seltenen Erden als Rohstoffe zuständig und kennt die Herausforderungen aus industrieller Sicht aus erster Hand. Seit er für TRADIUM arbeitet, hat er sein Wissen über die Märkte für Seltene Erden und deren Akteure vertieft.