Rohstoffmarkt für Seltene Erden sendet verwirrende Signale
März 2023 | Markkommentar
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Der Markt für Seltene Erden ist in Bewegung. Während die Energiewende die Nachfrage nach diesen kritischen Rohstoffen ansteigen lässt, drosselt China als wichtigster Produzent den Export. Entgegen der üblichen Marktlogik sind vor diesem Hintergrund die Preise für Seltene Erden in den vergangenen Wochen stark gefallen. Im Interview geben die Rohstoffexperten Frank Meier und Jan Giese von TRADIUM eine Einordnung der aktuellen Situation.
Wie sieht die Versorgungssituation im Rohstoffmarkt für Seltene Erden aus?
Frank Meier: Die Seltenen Erden werden meist in einem Atemzug mit China genannt. Das Land ist der wichtigste Player im Markt. Es verfügt nicht nur über umfangreiche Vorkommen, sondern ist auch führend bei der Weiterverarbeitung der Erze. Über 90 % aller verarbeiteten Seltenen Erden, das sind etwa Permanentmagnete für E-Autos oder Windräder, stammen aus chinesischer Produktion. Länder wie die USA, die die Seltenen Erden ebenfalls abbauen, lassen ihre Rohstoffe in China aufbereiten. Der Rohstoffmarkt befindet sich daher fest in chinesischer Hand. Einige wenige Großunternehmen in China, die der staatlichen Einflussnahme und jährlichen Förderquoten unterliegen, halten das Monopol. Es ist daher wenig überraschend, dass Meldungen zu Rohstofffunden in Europa auf großes Interesse stoßen. Im Januar 2023 wurde bekannt, dass im schwedischen Kiruna sowohl leichte als auch schwere Seltene Erden gefunden worden sind. Letztere sind in der weltweiten Verteilung wirklich selten. Doch bevor die ersten Materialien in Schweden abgebaut und verarbeitet werden können, werden mindestens zehn bis fünfzehn Jahre an Planung ins Land gehen. Ein kurzfristiger Effekt auf die Rohstoffversorgung ist nicht zu erwarten.
Seltene Erden werden nicht an Rohstoffbörsen gehandelt. Wie findet die Preisbildung statt?
Frank Meier: Die Rohstoffe werden direkt zwischen Produzenten und Abnehmer gehandelt. In Abhängigkeit von der Produktqualität, der Abnahmemenge, der Terminsituation vereinbaren beide Parteien den Preis individuell. Einen Börsenpreis, wie er beim Handel mit anderen Metallen wie Aluminium üblich ist, gibt es daher nicht. Darüber hinaus hat der Markt für Seltene Erden eine eigene Rhythmik. Aus unseren langjährigen Marktbeobachtungen wissen wir, dass der Preis zum Anfang eines Jahres tendenziell schwächer ist. Die Arbeiten in den chinesischen Minen und Aufbereitungsbetrieben ruhen in der Zeit wegen des Neujahrsfestes. Außerdem warten die Produzenten die jährlichen Abbau- und Verarbeitungsquoten ab, die der chinesische Staat spätestens im März veröffentlicht. Sie haben gewöhnlich einen entscheidenden Einfluss auf das Rohstoffangebot.
Die Nachfrage nach Seltenen Erden ist in der Vergangenheit mit jedem Jahr gestiegen. Sollte das nicht hohe Rohstoffpreise garantieren?
Jan Giese: In den vergangenen Jahren lag die Nachfrage nach Seltenen Erden leicht über dem Angebot und hat zu einem Preisanstieg geführt. Aktuell sehen wir jedoch, dass ein Teil der Nachfrage durch die nicht erfüllten Bedarfserwartungen in der E-Mobilität eingebrochen ist. In zahlreichen Ländern wie Deutschland und China ist die Förderung dieser Fahrzeuge ausgelaufen oder zurückgefahren worden, was sich in sinkenden Absatzzahlen niederschlägt. Hinzu kommt, dass die Branche mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hat: angefangen von den hohen Strompreisen über die noch ausbaufähige Infrastruktur sowie Versicherungsfragen. Teslas bloße Ankündigung, die Seltenen Erden in den Permanentmagneten seiner Autos zu substituieren, hat für zusätzliche Erschütterungen im Markt gesorgt, wenngleich Branchenbeobachter von einer Überreaktion sprechen. In anderen Anwendungsbereichen wie dem Ausbau der Windenergie/Erneuerbaren Energien, der Elektrotechnik und Halbleiterindustrie, der Chemie- und Glasindustrie sowie als Poliermittel entwickelt sich die Nachfrage hingegen wie prognostiziert.
Trotz der aktuellen Preiskorrektur bei Seltenen Erden befinden sich die Rohstoffpreise immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Wie könnte sich der Markt zukünftig entwickeln?
Jan Giese: Branchenexperten sind sich einig, dass langfristig eine Versorgungslücke entstehen wird. Hintergrund ist die globale Energiewende, auf die sich die internationale Staatengemeinschaft 2015 im Abkommen von Paris geeinigt hat. Der daraus resultierende Rohstoffhunger ist sehr groß. Er könnte von 131.500 Tonnen im Jahr 2020 auf 188.300 Tonnen im Jahr 2030 steigen, und zwar nur dafür, um die Klimaziele in den Bereichen Windkraft und E-Mobilität zu erreichen. Mittelfristig spricht daher vieles dafür, dass die Preise der dafür erforderlichen Rohstoffe steigen könnten.
Vita:
Frank Meier betreut bei TRADIUM seit 2019 den Bereich Technologiemetalle und Seltene Erden. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Rohstoffmarkt. Diese hat er unter anderem bei Heraeus im Bereich Dünnschichttechnologie gesammelt. Darüber hinaus hat er den Einstieg von Heraeus in die Produktion von Photovoltaikmodulen als Produktmanager und Vertriebsmitarbeiter von Anfang an mitbegleitet.
Jan Giese arbeitet seit 2022 im Industrievertrieb für Technologiemetalle und Seltene Erden bei TRADIUM. Zuvor leitete der studierte Betriebswirt 2,5 Jahre den globalen Einkauf der Heraeus Quarzglas GmbH, einer Geschäftseinheit des globalen Familienunternehmens Heraeus.