Seltene Erden aus Europa: Traum oder bald Realität?

Februar 2023 | News

Blick auf eine Minenanlage

Quelle: iStock/Funtay

Der staatliche schwedische Bergbaukonzern LKBA hat im Januar die Entdeckung einer Seltenerdlagerstätte publik gemacht. Über eine Million Tonnen der Rohstoffe umfasst das Per Geijer genannte Vorkommen, so LKAB. Noch ist unklar, ob und wann der Abbau der Rohstoffe die Abhängigkeit der EU von Importen aus China verringern kann.

Es könnte schon jetzt die Rohstoff-Meldung des Jahres sein. Anfang Januar 2023 wurde der Fund riesiger Mengen an Seltenen Erden im schwedischen Lappland gemeldet. Das schwedische Bergbauunternehmen LKAB hat sie in der Nähe seiner Eisenerzgrube in Kiruna entdeckt. LKAB schätzt in einer Pressemeldung, dass hier mehr als eine Millionen Tonnen an Seltenen Erden lagern. Die kritischen Mineralien sind für die Produktion von Computerchips und Permanentmagnete, die etwa in Windrädern und E-Autos verbaut sind, notwendig. Bisher bezieht Europa seine Rohstoffe hauptsächlich aus China. Das Land ist mit 60 % nicht nur größter Produzent der Erde, sondern dominiert mit fast 90 % auch deren Verarbeitung. Von dem Sensationsfund versprechen sich viele Politiker und Unternehmen daher eine strategische Unabhängigkeit Europas.

So lange reichen eine Millionen Tonnen Seltene Erden

Mit Blick auf den weltweiten Bedarf an Seltenen Erden von jährlich 130.000 Tonnen, wie ihn die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ausweist, sind eine Million nicht viel. Es entspricht dem Achtfachen der jährlich benötigten Rohstoffmenge. Anders zeigt sich die Lage jedoch, wenn man die Nachfrage innerhalb der EU als Vergleichsgröße heranzieht. Die Europäische Union importiert pro Jahr circa 16.000 Tonnen an verarbeiteten Seltenerdprodukten wie Dauermagneten. Bis 2030 wird sich der Bedarf mehr als verdoppeln und auf über 37.000 Tonnen steigen. Dies geht aus einem Report der European Raw Materials Alliance (ERMA) hervor. Damit ist die EU zu 98 % auf das Ausland angewiesen. Würde man stattdessen die in Schweden entdeckten Rohstoffe nutzen, wäre Europa 62 Jahre lang unabhängig.

Langjährige Planung statt kurzfristigem Abbau

LKAB verweist darauf, dass bis zum Abbau der Seltenen ERden in Schwedens Norden noch viele Jahre vergehen könnten. Bisher ist nicht einmal ein Antrag auf Abbaugenehmigung gestellt. Dies soll jedoch noch im Laufe des Jahres erfolgen. Zunächst stehen weitere Untersuchungen der Lagerstätte und der Abbaubedingungen an. Auch die Auswirkungen auf die Natur müssen geklärt und die Finanzierung gesichert werden. Eine weitere Phase besteht im eigentlichen Aufbau des Bergwerks und der für den Abbau notwendigen logistischen Infrastruktur. Diese schließt die Mine ans Straßennetz an und versorgt sie mit Energie sowie Wasser. LKAB rechnet für alle Phasen mit einem Gesamtzeitrahmen von mindestens zehn bis fünfzehn Jahren. Kurzfristig wird die europäische Wirtschaft also nicht auf Rohstoffe aus Schweden setzen können.

Blick auf eine Minenanlage

Quelle: iStock/Funtay

Die Seltenen Erden Terbium, Dysprosium und Neodym sind gefragte Rohstoffe für die europäische Industrie

Quelle: Kai Wipperfürth / TRADIUM GmbH

Seltenerdvorkommen in Europa häufiger als gedacht

Die Lagerstätte Per Geijer ist nicht die Einzige in Europa, die über Seltenerdeleemente verfügt. Ebenfalls in Schweden befindet sich mit Norra Kärr ein weiteres noch unerschlossenes Vorkommen. Neben Schweden verfügen auch andere Länder über entsprechende Bodenschätze, die aber noch gehoben werden müssen.

  • In Grönland, das politisch zu Dänemark gehört, gibt es zwei große Lagerstätten mit je circa 5 und 6,5 Millionen Tonnen der Rohstoffe. Diese sind schon seit 2010 gut erschlossen, so die BGR. Die aktuelle Regierung auf der Insel setzt auf Umwelt statt auf Bergbau und hat den Rohstoffabbau stark eingeschränkt.
  • Auch in Spanien bleiben die kritischen Mineralien, die z. B. in der Mine Matamulas in der Region Kastilien-La Mancha gefunden wurden, noch im Boden, meldet die Tagesschau. Das Abbauprojekt ruht wegen Umweltschutzbedenken.
  • Schwedens Nachbarland Norwegen soll ebenfalls über entsprechende Rohstoffvorkommen verfügen. Anders als in Kiruna finden sich die Mineralien nicht unter Tage, sondern im Meeresboden, berichtet das Branchenportal Rohstoff.net. Wie im Januar 2023 bekannt wurde, lagern vor der Küste Norwegens größere Mengen an wertvollen Rohstoffen, darunter 1,7 Millionen Tonnen des Seltenerdelements Cer.
  • Deutschlands Böden bergen ebenfalls Seltene Erden. Die beiden bekannten Vorkommen in Sachsen und Bayern sind aber zu klein, so dass sich ein Abbau nicht lohnt.

Bislang liegt die Fördermenge in der EU bei null Tonnen. Die ERMA ist jedoch überzeugt, dass die Lagerstätten in Europa die Grundlage für eine europäische Industrie für Seltene Erden bilden könnten. Bis 2030 ließen sich 7.000 Tonnen Seltenerdmagnete pro Jahr produzieren, gibt sich der Verband optimistisch. Sollte der Plan aufgehen, würde dies 20 % des europäischen Bedarfs an Seltenerdmagneten decken. Doch es muss abgewartet werden, wann und mit welcher Fördermenge die erste Mine in Europa Seltene Erde abbauen wird. Bis dahin bleibt die europäische Industrie weiter auf Rohstofflieferungen aus Fernost angewiesen.

Die Seltenen Erden Terbium, Dysprosium und Neodym sind gefragte Rohstoffe für die europäische Industrie

Quelle: Kai Wipperfürth / TRADIUM GmbH